Die SPD-Stadtratsfraktion hat die Antworten der Verwaltung auf diverse Fragen im Finanzausschuss zum Verlust von 14 Millionen bei der Greensill-Bank ausgewertet und Fragen an die externe Gutachterin vorgelegt. Fraktionsvorsitzende, Susanne Hambürger dos Reis, und finanzpolitischer Sprecher, Philipp M. Christ: „Wir wollen eine lückenlose umfassende Aufklärung durch unabhängige Wirtschaftsprüfende.“
„Das externe Gutachten ist für uns ein wichtiger Baustein bei der Aufarbeitung der Greensill-Anlage. Neben den Untersuchungen des Rechnungsprüfungsamts und der Kommunalaufsicht, wird die externe Gutachterin mit einem unabhängigen Blick den Vorgang überprüfen“, so Susanne Hambürger dos Reis.
Die unabhängige Gutachterin müsse laut Philipp M. Christ klären, ob die Vorgaben der Finanzrichtlinie bei Geld- und Kapitalanlagen ausreichend definiert waren und wie die Vorgaben von der Verwaltung berücksichtigt wurden. Gleichzeitig werde die SPD-Fraktion mit ihren Fragen an die Gutachterin den Fokus auf die Organisations- und Überwachungsstruktur der Finanzrichtlinie legen.
Obwohl der Oberbürgermeister nach der Finanzrichtlinie für Organisation, Überwachung und Leitung beim Abschluss von Geld- und Kapitalanlagen verantwortlich sei, habe er diese Verantwortung auf den Finanzvorstand delegiert und dementsprechend an den fünf Entscheidungen zugunsten der Greensill-Bank nicht aktiv mitgewirkt. Das sei deshalb besonders fragwürdig, weil es sich dabei um die größte Geldanlage 2020 gehandelt habe.
Dabei komme dem Oberbürgermeister als Dienstherrn die oberste Auswahl-, Aufsichts- und Kontrollverpflichtung zu. Fraglich sei, ob diese Pflicht überhaupt übertragbar ist und wie diese Pflichten umgesetzt wurden.
Deswegen stellen sich der SPD-Fraktion folgende Fragen an die Gutachterin:
- Verantwortlichkeit und Aufgabenzuordnung
Gemäß §85 Abs. 3 NKomVG leitet und beaufsichtigt der Oberbürgermeister die Verwaltung.
Zu klären ist, ob der Oberbürgermeister bei der Greensill-Anlage dieser großen Verantwortung gerecht geworden ist.
Der Oberbürgermeister ist gemäß der Finanzrichtlinie für die Aufnahme und Umschuldung von Krediten und Liquiditätskrediten, den Abschluss derivater Finanzinstrumente und strukturierter Produkte sowie den Abschluss von Geld- und Kapitalanlagen zuständig. Gleichwohl ist er auch für die ordnungsgemäße Organisation und Überwachung des Aufgabengebietes verantwortlich. Diese Aufgabe überträgt der Oberbürgermeister nach der Finanzrichtlinie auf den Finanzvorstand.
Der Oberbürgermeister hat mitgeteilt, dass er seit 2017 nicht mehr in die Vorgänge der Finanzrichtlinie eingebunden war und somit auch nicht in die Anlage bei der Greensill-Bank.
Vor dem Hintergrund der Organisations- und Überwachungsstruktur gemäß der Finanzrichtlinie stellen sich für uns als SPD-Fraktion folgende Fragen:
Grundsätzlich: Kann eine vom Rat beschlossene Richtlinie den Oberbürgermeister als obersten Dienstherrn von allen Auswahl-, Aufsichts- und Kontrollverpflichtungen befreien? Kann die Verantwortung, sowie die Organisations- und Überwachungsaufgabe des Oberbürgermeisters mit befreiender Wirkung auf den Finanzvorstand übertragen werden? Ist die Finanzrichtlinie dafür hinreichend definiert?
Hat der Oberbürgermeister dafür Sorge getragen, dass die übertragenen Pflichten aus der Finanzrichtlinie auch tatsächlich umgesetzt wurden? Hat der Oberbürgermeister zumindest stichprobenartig geprüft oder prüfen zu lassen, ob die übertragen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt wurden?
Es ist basierend auf den Fragen gutachterlich festzustellen, ob der Oberbürgermeister die oberste Auswahl-, Aufsichts- und Kontrollverpflichtung ausreichend wahrgenommen hat und ob diese Pflicht überhaupt mit befreiender Wirkung übertragbar ist.
- Vorgaben und Ausführung der Finanzrichtlinie
In der Finanzrichtlinie sind die Sicherheitsanforderungen und Ertragsgrundsätze für die Geld- und Kapitalanlagen der Stadt Osnabrück definiert. Deswegen ist zunächst zu prüfen, ob die Vorgaben der Finanzrichtlinie seitens der Verwaltung bei den Termingeldanlagen bei der Greensill Bank AG Bremen eingehalten wurden.
Vor dem Hintergrund der Vorgaben zur Bonitätsprüfung und des Ratings in der Finanzrichtlinie ist gutachterlich festzustellen, ob einerseits die Prüfung der Bonität und des Ratings der Greensill Bank AG Bremen seitens der Verwaltung im Sinne der Richtlinie ausreichend war und ob andererseits die Finanzrichtlinie umfassende Regeln zur Prüfung der Bonität und des Ratings des Emittenten enthält. In diesem Kontext bitten wir auch um Darstellung, wie Geld- und Kapitalanlagen in mit Osnabrück vergleichbaren niedersächsischen Kommunen getätigt werden, insbesondere zur Verantwortlichkeit und Aufgabenzuordnung.
In der Finanzrichtlinie findet sich auch eine Regelung zum Kontrahentenlimit: „Um einen überproportional hohen Anlagebestand bei einzelnen Kreditinstituten zu vermeiden, wird der Gesamtanlagebetrag je Kreditinstitut auf maximal 1/3 des Gesamtbestandes der Geld- und Kapitalanlagen limitiert. Ausgenommen hiervon sind Tagesgeldanlagen.“ In den Sondersitzungen des Finanzausschusses zur Greensill-Anlage kamen Zweifel an der Einhaltung des Kontrahentenlimits auf. Deswegen ist auch gutachterlich festzustellen, ob zu einem Zeitpunkt der Termingeldanlage bei der Greensill Bank AG Bremen der maximal mögliche Anlagebetrag von 1/3 des Gesamtbestandes der Geld- und Kapitalanlagen überschritten wurde.
Darüber hinaus wird die Gutachterin um Stellungnahme gebeten, ob es einen qualitativ bedeutsamen Unterschied zwischen der forensischen Sonderprüfung der BaFin und den Hinweisen der BaFin auf ein erhöhtes Konzentrationsrisiko gibt. (Bloomberg 19.08.2020, Börsenzeitung 20.08.2020).
- Aus Fehlern lernen?
Sofern die Gutachterin Fehler oder Unstimmigkeiten bei der Umsetzung der Finanzrichtlinie der Stadt Osnabrück feststellt, bitten wir gleichzeitig um Verbesserungsvorschläge.
Wir behalten uns vor weitere Fragen an die Gutachterin zu stellen, die sich auf Grund der Akteneinsicht oder anderer Erkenntnisse ergeben.
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