Meinungsfreiheit im Netz schützten

Die Europäische Kommission präsentiert heute ihren Vorschlag zum Digital Services Act, dem Gesetz für Digitale Dienste, mit dem die Pflichten und Verantwortlichkeiten von Online-Plattformen insbesondere in Bezug auf den Umgang mit Inhalten festgelegt werden. Das Europäische Parlament hat zu diesem Vorhaben im Oktober drei Initiativberichte verabschiedet, in denen Empfehlungen an die Kommission formuliert wurden.

Der Vorschlag der Kommission greift viele Empfehlungen des Parlaments auf. So sollen Plattformen für den Umgang mit illegalen Inhalten ein Notifizierungssystem einrichten, mit dem Nutzer*innen Inhalte melden können, die sie potentiell für illegal halten. Diese werden dann von der Plattform geprüft und gegebenenfalls entfernt. Mit Informations- und Transparenzpflichten, einem Beschwerdemechanismus und Zugang zu unabhängigen Schlichtungsstellen soll die Meinungsfreiheit der Nutzer*innen geschützt werden. Zudem werden Transparenzpflichten für Online-Werbung eingeführt. Große Plattformen sollen zusätzlich regelmäßigen Audits unterzogen werden und Nutzer*innen mehr Einfluss über die personalisierte Gewichtung von Inhalten geben, die ihnen angezeigt werden.

Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion der Demokraten und Sozialisten im Europäischen Parlament und Berichterstatter für den Initiativbericht im Rechtsausschuss, Tiemo Wölken, kommentiert den Vorschlag:

„Mit dem Digital Services Act bekommt Europa ein echtes digitales Grundgesetz. Ein klarer Rechtsrahmen schafft Rechtssicherheit für Plattformen und schützt die Grundrechte der Nutzerinnen und Nutzer. Ich freue mich, dass die EU-Kommission den Empfehlungen des Parlaments gefolgt ist und beim Umgang mit Inhalten auf klar ausformulierte Notice & Action-Verfahren setzt.

Dabei trägt der Vorschlag aber einen erheblichen Konstruktionsfehler in Artikel 14, nach dem angenommen wird, dass eine Plattform Kenntnis von illegalen Inhalten hat und somit haftet, sobald sie eine Notifizierung erhalten hat. Sie kann dann automatisch eine Löschentscheidung treffen, ohne den betroffenen Inhalt gründlich zu prüfen. Das führt zu Overblocking und stellt ein erhebliches Risiko für die Meinungsfreiheit dar. Hier muss das Europäische Parlament unbedingt nachbessern. Voraussetzung für die Haftbarkeit von Plattformen sollte sein, dass notifizierte Inhalte auch wirklich offensichtlich rechtswidrig sind.

An einigen Stellen ist die Kommission aber noch zu zaghaft. Transparenzauflagen für Online-Werbung sind zwar ein wichtiger erster Schritt, reichen aber nicht aus, um die Hauptursache für die Verbreitung von Desinformation und schädlicher Inhalte an der Wurzel zu packen. Plattformen werden weiterhin aufmerksamkeitshaschende Inhalte bevorzugt anzeigen, wenn sich dadurch mehr Geld durch personalisierte Werbung verdienen lässt. Ich hätte mir mehr Mut von der Kommission gegenüber der Werbeindustrie gewünscht: Wirtschaftliche Anreize für schädliches Verhalten beseitigen sich nicht von alleine. Immerhin sollen Nutzerinnen und Nutzer mehr Kontrolle über die Kriterien erhalten, nach denen Inhalte für sie sortiert und angezeigt werden.

Bedauerlicherweise fehlen im Vorschlag Bestimmungen zur Interoperabilität, damit sich unterschiedliche digitale Dienste miteinander verbinden können. Das würde dafür sorgen, dass Nutzerinnen und Nutzer nicht nur den plattformeigenen Algorithmen ausgeliefert sind.

Dass die Aufsicht über die Einhaltung der Regeln bei den Mitgliedsstaaten liegen soll, halte ich für einen Fehler. Einheitliche Regeln brauchen einheitliche Kontrolle: Wenn einige Mitgliedsstaaten die Aufsicht etwas laxer angehen als andere, drohen Wettbewerbsverzerrungen. Genau das sollte der DSA aber verhindern. Für die größten Plattformen soll eine einheitliche Aufsicht auf europäischer Ebene möglich sein – wieso das nicht für alle Plattformen gelten soll, erschließt sich mir nicht.“

Gleichzeitig präsentiert die Kommission ihren Vorschlag zum Digital Markets Act, mit dem Wettbewerbsregeln für den digitalen Binnenmarkt gesetzt werden sollen. Im Digital Markets Act will die Kommission unfaire Geschäftspraktiken definieren, durch die IT-Riesen bisher ihren Marktvorteil gefestigt haben.

„Dass Google, Apple und co ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen, ist kein Geheimnis. Bislang kann die Kommission nur nach langwierigen Kartellverfahren Strafen verhängen. Damit ist jetzt Schluss: Mit dem Digital Markets Act bekommt der digitale Binnenmarkt endlich ein starkes Regelwerk für fairen Wettbewerb, damit online nicht länger das Recht des Stärkeren gilt, macht Tiemo Wölken deutlich.